Die Polizei Hamburg hat in den vergangenen Tagen mehrere Transparente abhängen lassen, auf denen der Tod von Oury Jalloh thematisiert wurde. Unter anderem trugen die Transparente Aufschriften wie „Oury Jalloh, ermordert von deutschen Polizisten“. Dies stellt aus Sicht der Themenkoordinationsgruppe Polizei und Menschenrechte einen inakzeptablen Angriff auf die Meinungsfreiheit dar.
Der Asylbewerber Oury Jalloh war im Jahr 2005 unter bis heute ungeklärten Umständen in einem Polizeirevier im sachsen-anhaltinischen Dessau verbrannt. Auch Amnesty International in Deutschland hat den Fall in seinem Bericht „Täter Unbekannt“ aufgegriffen, und über zahlreiche Widersprüche, und ungenügende Ermittlungen berichtet. Als internationale Menschenrechtsorganisation bewertet Amnesty International Fälle auch nach Maßstäben des Völkerrechts. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte tragen staatliche Organe bei Todesfällen im Polizeigewahrsam die Beweislast. Der Staat muss nachweisen, dass er für den Tod des in Gewahrsam genommenen Menschen nicht verantwortlich ist.
Nach abgeschlossener Hauptverhandlung in einem Strafverfahren bezüglich des Geschehens, kritisierte der Vorsitzende Richter Steinhoff das Aussageverhalten der beteiligten Polizeibeamt*innen massiv, und sprach von einem Verfahren, das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht mehr vereinbar sei.
[…] (Polizisten haben) „bedenkenlos und grottendämlich“ falsch und unvollständig ausgesagt, sie haben dem Land Sachsen-Anhalt „aufs Übelste geschadet“. (Zitat Richter Steinhoff, nach Süddeutscher Zeitung vom 12.01.2011)
Auch der leitende Oberstaatsanwalt in Dessau, Folker Bittmann, geht in einem an die Öffentlichkeit gelangten Aktenvermerk davon aus, dass hier mit hoher Wahrscheinlichkeit eine andere Straftat verdeckt werden sollte.
Bei einer vergleichbaren Aktion im letzten Jahr, bei der die Polizei ein ähnliches Transparent von der sogenannten „Roten Flora“ in Hamburg abhängte, begründete die Polizei dieses Vorgehen damit, dass das Transparent die Straftatbestände der Beleidigung bzw. Verleumdung erfülle. Mittlerweile geht die Polizei laut eines Presseberichts vom Verdacht der üblen Nachrede aus.
Dies stellt insgesamt einen Angriff auf die menschen- wie grundrechtlich verbürgte Meinungsfreiheit dar. Denn auch wenn die Meinungsfreiheit nicht schrankenlos gewährt wird, sondern ihre Grenzen in allgemeinen Gesetzen findet, die auch dem Ehrschutz dienen, darf sich der Staat nicht gleichzeitig mit Mitteln des Strafrechts gegen jede Kritik immunisieren.
Es ist in der gegebenen Situation offenkundig, dass sich die Transparente in der Sache auf die skandalösen Vorgänge im Zusammenhang mit den Ermittlungen um den Tod von Oury Jalloh beziehen, und damit eine kritisch-politische Aussage darstellen.
Eine Diffamierung und Ehrverletzung von in der Tatnacht möglicherweise beteiligten Polizeibeamt*innen, ist, wenn überhaupt, nur völlig nachrangiger Teil der Aktion. Eine differenzierte Einordnung politischer Aussagen wurde auch durch das Bundesverfassungsgericht immer wieder bei der Bewertung von Meinungsdelikten angemahnt.
Steht die politische Auseinandersetzung ganz im Vordergrund, muss auch die Polizei die Meinungsfreiheit respektieren.
Nicht nur die Tatsache, dass selbst die Justiz in Sachsen-Anhalt mittlerweile ein Tötungsdelikt für wahrscheinlich hält, macht das Vorgehen der Polizei Hamburg widersinnig.
Auch der Umstand, dass vergleichbare Parolen vielfach bei einer Demonstration Anfang Januar in Dessau gezeigt wurden, welche direkt an dem Polizeirevier vorbeiführte in dem Herr Jalloh verstarb, ohne dass dies in irgendeiner Form durch die Polizei beanstandet wurde, lässt das Vorgehen der Polizei Hamburg fragwürdig erscheinen.
Es steht hier der Verdacht im Raum, dass es der Polizei Hamburg weniger um den Ehrschutz von Kolleg*innen aus Sachsen-Anhalt geht, sondern vielmehr Disziplinierungsbedürfnisse und persönliche Animositäten gegenüber der linken Szene in Hamburg, die entscheidenden Motive für das Vorgehen sind.
Wir fordern die Polizei Hamburg daher auf, die sichergestellten Transparente wieder herauszugeben, und in Zukunft die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger*innen in Hamburg zu respektieren.
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