Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH Mannheim) hat in einem gestern veröffentlichten Urteil festgestellt, dass die ständige Praxis der Bundespolizei, § 23 I Nr. 3 BPolG für Schleierfahndungen heranzuziehen, in dieser Form rechtswidrig sei.
Geklagt hatte ein Deutscher, afghanischer Abstammung. Er war während einer Geschäftsreise, in der 1. Klasse des ICEs von Berlin nach Freiburg, durch Bundespolizisten als einziger unter mehreren Anwesenden, kontrolliert worden.
Bereits das Verwaltungsgericht Stuttgart (VG Stuttgart) hatte mit Urteil vom 22.10.2015 die Rechtsgrundlage als europarechtswidrig eingestuft. In einem Vorabentscheidungsverfahren hatte auch der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt, dass die Rechtsgrundlage für sich genommen nicht den Anforderungen des Unionsrechts genügt, und weiterer Konkretisierung bedarf. Gegen die Entscheidung des VG Stuttgart war die Bundespolizei in Berufung gegangen.
Der VGH Mannheim hat die Berufung nunmehr als unbegründet zurückgewiesen, und die Entscheidung damit bestätigt. Eine zwischenzeitlich durch die Bundespolizei angeführte geheime Verwaltungsvorschrift, die die Vorgaben zur Schleierfahndung konkretisieren sollte, hat der VGH gleichfalls als ungeeignet zurückgewiesen, da sie selbst zu unbestimmt sei, und weitestgehend geheim gehaltene Verwaltungsvorschriften ohnehin nicht als geeignete Rechtsgrundlage für die Schleierfahndung herangezogen werden können.
Laut Rechtsanwalt Sven Adam, der als Prozessbevollmächtigter des Klägers auftrat, hat der VGH damit Millionen Kontrollen im Grenzgebiet nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen. Rechtsanwalt Adam hierzu:
„Dieses Verfahren ist ein weiterer bedeutender Schritt, um diskriminierenden Kontrollen die rechtlichen Grundlagen zu entziehen. Sollte die Bundespolizei für die Zukunft nun mit neuen und vor allem öffentlichen Verwaltungsvorschriften nachbessern, werden wir auch diese einer verwaltungsgerichtlichen Klärung zuführen, um letzten Endes die Praxis des ‚racial profiling‘ insgesamt durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen zu können.“
Dadurch, dass die Kontrolle bereits unionsrechtswidrig war, ist in der Entscheidung des Gerichts offen geblieben, ob hier auch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes vorlag.
Das Gericht hat eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung kann die Bundespolizei noch Beschwerde einlegen.
Die Entscheidung fügt sich in eine ganze Reihe von Entscheidungen ein, denen ähnliche Sachverhalte zugrunde liegen, und bei denen Menschen ausschliesslich aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert wurden.
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