Der Fall Oury Jalloh zeigt, dass Deutschland unabhängige Untersuchungen für die Ermittlungen bei rechtswidriger Polizeigewalt braucht.
Berlin, den 17.11.2017 – Nach dem Bekanntwerden neuer Einschätzungen des zuständigen Oberstaatsanwaltes im Fall Oury Jalloh fordert Amnesty International, dass endlich lückenlos aufgeklärt wird, was im Polizeigewahrsam tatsächlich geschah und ob Jalloh getötet wurde. Außerdem müssen die Innenbehörden in Deutschland endlich die Konsequenz aus Fällen wie Oury Jalloh ziehen und unabhängige Untersuchungsmechanismen einrichten.
Wie jetzt bekannt wurde, nahm der Dessauer Oberstaatsanwalt Folker Bittmann aufgrund neuer gerichtsmedizinischer und brandschutztechnischer Gutachten im April in einer Stellungnahme einen begründeten Mordverdacht an und nannte konkret die Namen von Verdächtigen. Im August wurde die Zuständigkeit für die Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft Halle übertragen.Vor dem Hintergrund des Dessauer Gutachtens ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Staatsanwaltschaft Halle im Oktober ankündigte, alle Ermittlungen einstellen zu wollen.
Amnesty International drängt darauf, dass nach unzähligen Ermittlungspannen und neuen Anläufen, zwölf Jahre nach dem Tod von Oury Jalloh endlich eine vollständige, unabhängige und effektive Aufklärung der Todesumstände stattfinden muss.
„Der Fall veranschaulicht auf dramatische Weise, warum unabhängige Untersuchungsmechanismen für Fälle mutmaßlicher rechtswidriger Polizeigewalt nötig sind.“, sagt Alexander Bosch, Experte für Polizei und Menschenrechte bei Amnesty International. „Nur unabhängige Untersuchungen können sicherstellen, dass Ermittlungen gegen Polizeibeamte nicht ausgebremst oder verzögert werden.“
Amnesty fordert hier auf Bundes- und Länderebene ein Umdenken: Unabhängige Untersuchungsmechanismen würden das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken. Sie dürfen nicht länger unter dem Vorwand abgelehnt werden, sie seien ein Misstrauensvotum gegen die Polizei. Internationale Beispiele, wie die britische Untersuchungskommission (IPCC), zeigen beispielhaft, dass derartige Gremien funktionieren und das Vertrauen in die Arbeit der Polizei stärken.
Darüber hinaus gab es im Fall Oury Jalloh von Anfang an Hinweise auf institutionellen Rassismus. So wurden nach der Festnahme Jallohs rassistische Kommentare von Polizisten dokumentiert. Eine unabhängige Studie zu der Frage, inwieweit in deutschen Ermittlungsbehörden Handlungsbedarf gegen strukturellen Rassismus besteht, ist überfällig.