Polizeigewalt in Indonesien

In der Provinz Maluku (Molukken) in Indonesien sind im Juni 2007 23 friedliche Demonstranten verhaftet, schwer misshandelt und mittlerweile  zu langen Haftstrafen zwischen 7 und 20 Jahren verurteilt worden, weil sie bei einer offiziellen Feier die Flagge  der Unabhängigkeitsbewegung geschwenkt haben. Eine Untersuchung der Misshandlungsvorwürfe hat bislang nicht stattgefunden.

Die Situation in den Molukken ist exemplarisch für Indonesien. Fälle von exzessiver Polizeigewalt sind häufig und richten sich ebenso gegen Kleinkriminelle, Prostituierte und Drogenabhängige sowie gegen politische Aktivisten, Homosexuelle und die Landbevölkerung, sofern sie wirtschaftlichen Interessen im Weg steht. Über gewaltsame Übergriffe wurde dabei sowohl bei Festnahmen, bei Verhören, in Untersuchungshaft und bei Beschwerden berichtet. Eine wirkungsvolle Instanz zur Ahndung von polizeilichen Übergriffen gibt es nicht, da die bestehenden Institutionen nicht unabhängig operieren können. Zudem fehlen im Strafgesetzbuch ausreichende Möglichkeiten zur Verfolgung von Folterern, da Folter nur in Fällen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Verbrechen gilt. AI hat die indonesische Regierung bereits mehrfach aufgefordert, diese Gesetzeslücke zu schließen, da es als Unterzeichnerstaat der UN-Konvention gegen Folter dazu verpflichtet ist, eine entsprechende Gesetzgebung zu schaffen. Ein zentrales Anliegen von AI ist auch ein fehlender, unabhängiger Beschwerdemechanismus, der es den Opfern ermöglichen würde, ohne Furcht vor Einschüchterung über Vorfälle von Polizeigewalt und -willkür zu berichten. Ein solcher Mechanismus würde helfen, die betreffenden Polizeibeamten zur Rechenschaft zu ziehen und künftig Übergriffe zu vermeiden.

Johan Teterissa In der Provinz Maluku  in Indonesien sind im Juni 2007 22 friedliche Demonstranten verhaftet und schwer misshandelt worden, weil sie bei einer offiziellen Feier die Flagge  der Unabhängigkeitsbewegung geschwenkt haben. Johan Teterissa war einer von ihnen und gilt als ihr Anführer. Die Betroffenen wurden geschlagen, mit Elektroschocks traktiert, ihnen wurden große Gegenstände in den Mund gezwungen, es kam zu Verletzungen des Gehörs durch Abfeuern von Kugeln in Ohrnähe, zudem wurden sie gezwungen, ohne Schutz über heißen Asphalt zu kriechen. Dabei wurden die Inhaftierten mehrheitlich ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Zugang zu medizinischer Versorgung festgehalten. Mittlerweile sind sie zu langen Haftstrafen zwischen 7 und 20 Jahren verurteilt worden. Angehörige wurden über Verlegungen der Gefangenen nicht informiert. Zudem wurden einige Beklagte von gestellten Anwälten dazu überredet, ihre „Schuld“ einzugestehen. Die Verfahren entsprachen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Eine Untersuchung der Misshandlungsvorwürfe hat bislang nicht stattgefunden. In den Jahren 2007 und 2008 wurden mindestens 72 Menschen wegen Fahnenschwenkens festgenommen, zum Teil misshandelt und zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.

In der betroffenen Provinz Maluku starben zwischen 2000 und 2002 tausende Menschen bei Konflikten zwischen bewaffneten christlichen und islamistischen Gruppen. In den Folgejahren kam es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen, bei denen auch weiterhin Menschen ums Leben kamen. Die Regierung hat in der Zeit nach dem Bürgerkrieg ihre Politik gegenüber christlichen Separatisten verschärft und viele friedliche Aktivisten wegen „Rebellion“ festnehmen lassen. „Rebellion“ ist auch das Verbrechen, dessen die Fahnenschwenker angeklagt wurden.

Bitte schreiben Sie den indonesischen  Behörden und fordern Sie sie auf: – die Berichte über Folter und Misshandlungen der 22 friedlichen Aktivisten zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen – sicherzustellen, dass Verhaftungen, Verhöre und Haftprozeduren nur in Übereinstimmung mit dem UN – Verhaltenskodex für Beamte mit Polizeibefugnissen und anderen internationalen Standards erfolgen – einen unabhängigen Beschwerdemechanismus einzusetzen um die Prüfung der Legitimität von Handlungen von Polizisten und deren Verantwortung dafür zu stärken.

Hartoyo

Im Januar 2007 wurde der homosexuelle Hartoyo in der Provinz Aceh in Sumatra von seinen Nachbarn geschlagen, getreten und beschimpft. Als er den Zwischenfall bei der lokalen Polizeistation von Banda Raya (in der Stadt Banda Aceh) meldete, wurde er von Polizisten wegen seine sexuellen Orientierung gefoltert und misshandelt. Sie schlugen ihn in den Magen, auf die Beine  und Füße und zwangen ihn und seinen ebenfalls anwesenden Partner, sich auszuziehen und verschiedene sexuelle Handlungen miteinander durchzuführen.  Hartoyo wurde von einem Polizisten eine Waffe in den Anus gesteckt; sein Partner wurde gezwungen, auf Hartoyos Kopf zu urinieren. Gestärkt durch Medien und prominente Aktivisten beschwerte sich Hartoyo bei der internen Untersuchungseinheit der Polizei in Jakarta. Er musste seine Beschwerde jedoch dann auf genau der Station abgeben, auf  der seine Misshandlungen stattgefunden hatten und wurde noch während sie aufgenommen wurde,  beschimpft. Am Abend wurde er einem „Psychologie-Test“ mit 500 Fragen unterzogen, die anscheinend darauf abzielten, ihn als „zu weiblich“ darzustellen. Sein Anwalt wurde über dieses Vorgehen nicht informiert und war nicht anwesend. Hartoyo war 12 Stunden auf der Polizeistation, um seine Beschwerde abzugeben. Danach erhielt er 18 Monate  lang keine Informationen über den Fortgang der Untersuchung seines Falles. Am 8. Oktober 2008  wurden 4 Polizisten zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe und einer Strafe von 1000 Rupien (0,10 US Dollar) verurteilt.

Bitte schreiben Sie den indonesischen  Behörden und fordern Sie sie auf: -Hartoyos Fall erneut zu prüfen und sicherzustellen, dass die Strafen der Schwere der Taten entsprechen. -Maßnahmen zu ergreifen um sicherzustellen, dass Beschwerden gegen Polizeibeamte vertraulich behandelt werden, dass die Beschwerdeführer und Zeugen vor Schikanen und Einschüchterungen geschützt werden und dass eine zeitnahes Feedback gegeben wird -einen unabhängigen Beschwerdemechanismus einzusetzen um die Prüfung der Legitimität von Handlungen von Polizisten und deren Verantwortung dafür zu stärken.

Gewaltsame Zerstörung von Häusern durch die Polizei in Riau

Am 18 Dezember 2008 verwendeten ca. 700 örtliche Sicherheitskräfte  Kugeln und Tränengas, um die Bewohner des Dorfes Suluk Bongkal (Distrikt Bengkalis, Provinz Riau an der Ostküste von Sumatra) zu vertreiben. Mit der Polizei zusammen wurden die örtliche  Ordnungspolizei, zivile Sicherheitskräfte wie auch Zivilisten, die offensichtlich angeheuert wurden bei der Vertreibung eingesetzt.

Die Dorfbewohner befanden sich seit 1996 in einem Landrechtsstreit mit dem Unternehmen PT Arara Abadi, einem Zulieferungsunternehmen der Holzindustrie. Das Forstministerium hatte  dem Unternehmen damals Bewirtschaftungsrechte für die gewerbliche  Landbewirtschaftung vergeben. Seitdem hatte das Unternehmen versucht, die Dorfbewohner zu vertreiben. Offizielle Schreiben des Forstministeriums und des Gouverneurs von Riau stellten jedoch klar, dass das Unternehmen seine Tätigkeit erst aufnehmen könnte, wenn der Streit beigelegt sei. Die Einwohner von Suluk Bongkal wurden ohne Einigung in dem Streit vertrieben, ohne dass sie eine vorherige Ankündigung oder offizielle Papiere erhalten hatten. Nach der Räumung schütteten zwei  Hubschrauber über dem Dorf etwas aus, von dem man annahm, dass es sich um  einen Brandbeschleuniger handelte und brannten ca. 300 Häuser nieder. Dann machten Bulldozer das Areal dem Erdboden gleich. Über 200 der Dorfbewohner wurden anfangs durch die Polizei inhaftiert. Der Rest floh in den Wald. Örtliche Quellen berichten,  dass ein zweijähriges  Mädchen starb, das währen der Räumung in einen Brunnen fiel. Zwei weitere Personen erlitten Schusswunden. Eine zweitägige Untersuchung durch die Nationale Menschenrechtskommission (Komnas HAM), die am 30. Dezember 2008 abgeschlossen wurde, kam zu dem Resultat, dass während der Räumung Menschenrechtsverletzungen stattgefunden hatten, für die die Polizei  die Verantwortung trug. Die meisten der Verhafteten wurden am 16. Januar 2009 freigelassen. Ein Richter des Distriktgerichtes von Bengkalis entschied, 75 der Dorfbewohner wegen „illegaler  Beanspruchung von Land“ in Haft zu lassen. Das  Delikt erlaubt gemäß dem Forstgesetz von 1999 eine Höchststrafe von 10 Jahren.

Bitte schreiben Sie den indonesischen  Behörden und fordern Sie sie auf: – sofortige, unparteiische und unabhängige Untersuchungen über die Berichte exzessiven Gewalteinsatzes durch die Polizei während der Vertreibung der Einwohner des Dorfes Suluk Bongkal in  Riau durchzuführen. Wo angemessen, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen dass die Verantwortlichen vor Gericht gebracht werden und dass die Opfer eine Entschädigung erhalten.

-sicherzustellen, dass die jüngste Polizeiverordnung über den Einsatz von Gewalt  durch die Regionalen Polizeidezernate und Dienststellen auf Ebene der Distrikte und Unterdistrikte umfassend umgesetzt wird. – die derzeitigen Systeme zu überprüfen, mit denen Beamte für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden. Insbesondere sollte das interne System für die Einreichung und die Bearbeitung von Beschwerden über Übergriffe durch Polizisten überprüft werden um sicherzustellen, dass Untersuchungen über Fehlverhalten von Polizisten unverzüglich, unparteiisch und unabhängig untersucht werden.

Exzessiver Einsatz von Gewalt in Papua

Am 27. Januar 2009 organisierte die „Koalition von Bürgern, die sich mit den Wahlen des Regionschefs befassen“ (Koalisi Masyarakat Peduli Pemilihan Kepala Desa) eine friedliche Demonstration, mit der sie nach mehreren Terminverschiebungen dazu aufriefen, lokale Wahlen abzuhalten. Die Demonstration mit ca. 100 Personen fand vor dem Gebäude der Wahlkommission in der Stadt Nabire in Papua statt. Einige Demonstranten errichteten ein Zelt, mit dem sie eine der Hauptstraßen blockierten. Sie lehnten eine Aufforderung der Polizei ab, das Zelt wieder abzubrechen.
Berichten zufolge löste die Polizei zwei Tage später die Demonstration am frühen Morgen auf, als die verbliebenen Teilnehmer schliefen. Lokalen Quellen zufolge schoss die Polizei mit Gummigeschossen in die Menge und verwundete mindestens fünf Demonstranten. Die Polizei trat außerdem einige Demonstranten und schlug mit Rattanstöcken und Gewehrkolben auf sie ein. Viele Personen erlitten als Folge davon Prellungen und Schnittwunden.
Es wurde auch berichtet, dass Beamte den 40jährigen Menschenrechtsverteidiger Yones Douwe drei Mal mit ihren Stiefeln traten. Sie schlugen ihn zudem auf die Ohren und boxten ihm ins Gesicht, als er versuchte in die Zusammenstöße einzugreifen. Die Beamten zerstörten außerdem den Memory Stick seines Computers vor seinen Augen. Yones Douw ist Mitglied der Kingmi Kirche (die Branche der Gospel Tabernacle Curch of Indonesia in Papua) und ehrenamtliches Mitglied der Menschenrechtsorganisation ElsHAM (Lembaga Studi dan Advokasi Hak Asasi Manusia/Institut für Menschenrechtsstudien und –verteidigung). Die Polizei verhaftete und verhörte Yones Dowe und sieben der Demonstranten. Sie soll allen acht Personen den Kontakt zur Außenwelt verweigert und während der gesamten Dauer ihrer eintägigen Haft Nahrung und Getränke verwehrt haben. Diejenigen, die verletzt waren, gaben an, dass die Polizisten ihnen keinen Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung gewährten. Die Polizei sperrte Yones Dowe in eine Einzelzelle und verhörte ihn einige Stunden.

Am 30. Januar entließ die Polizei alle acht Personen, ordnete jedoch an, dass sie sich jeden Tag am Polizeiposten  melden müssten. Amnesty International erkennt die Herausforderungen an, mit Demonstrationen umzugehen ebenso wie die Tatsache, dass einige Demonstranten Gebäude beschädigten, nachdem sie aufgefordert worden waren, die Kundgebung aufzulösen. Der Polizeieinsatz könnte jedoch ggen die UN-Grundsätze über den Einsatz von Gewalt und Feuerwaffen durch Sicherheitskräfte sowie den UN-Verhaltenskodex für Sicherheitskräfte verstoßen haben. Diese legen unter anderem fest, dass Gewalt nur als letztes Mittel gebraucht werden sollte, im angemessenen Verhältnis zu der Bedrohung sowie dass sie genutzt werden sollte, um Zerstörung und Verletzungen zu minimieren.

Bitte schreiben Sie an die indonesischen Behörden und fordern Sie sie auf: – sofortige und unparteiische Untersuchungen über die Berichte des exzessiven Einsatzes von Gewalt während der Demonstration in Nabire, Papua im Januar 2009 durchzuführen. – die Polizeitaktiken und Waffen bei dem Einsatz bei Demonstrationen zu überprüfen. die derzeitigen Systeme zu überprüfen, mit denen Beamte für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden. Insbesondere sollte das interne System für die Einreichung und die Bearbeitung von Beschwerden über Übergriffe durch Polizisten überprüft werden um sicherzustellen, dass Untersuchungen über Fehlverhalten von Polizisten unverzüglich, unparteiisch und unabhängig untersucht werden. Fordern Sie bitte insbesondere die Polizei auf, Mittel einzusetzen und Trainings durchzuführen so dass alle Polizeioperationen in Übereinstimmung mit den internationalen Standards stehen.