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Die Polizei muss das Vertrauen zurückgewinnen“ – Ein Gespräch mit der neuen Generalinspektorin der Polizei in El Salvador.

»Die Polizei muss das Vertrauen zurückgewinnen«

Ein Gespräch mit Zaira Navas, der neuen Generalinspektorin der Polizei in El Salvador, über die schwierige Aufgabe, eine Polizei zu schaffen, die die Menschenrechte respektiert. Nach zwanzig Jahren ultrarechter ARENA-Regierung gewann im vergangenen Jahr der Kandidat der ehemaligen Guerillabewegung FMLN, der Fernsehjournalist Mauricio Funes, die Präsidentschaftswahl. Funes versprach eine ­Reform der Polizei und beauftragte die Menschenrechts­anwältin Navas mit ihrer Kontrolle. Sie ermittelt unter ­anderem gegen ehemalige hochrangige Polizeioffiziere, darunter den früheren Polizeichef Ricardo Meneses. Er soll Verbindungen zu Drogenbaronen und kriminellen ­Banden unterhalten haben.

Zaira Navas
Zaira Navas | Foto: Michael Krämer

Zur Peron: Zaira Navas
Die 39-jährige Anwältin arbeitete von 1996 bis 2005 in der staatlichen Ombudsstelle für Menschenrechte und anschließend bis 2009 bei der »Asociación Pro-Busqueda de Niños y Niñas Desaparecidos«, einer Nichtregierungsorganisation, die versucht, Kinder aufzuspüren, die während des Bürgerkriegs verschwanden. Zumeist wurden sie vom Militär geraubt.

Frau Navas, wie kommt eine Menschenrechtsanwältin zur Polizei El Salvadors, der schwere Verletzungen der Menschenrechte vorgeworfen werden?
Im Juni 2009 hat Mauricio Funes sein Amt als neuer Präsident El Salvadors angetreten. Zu seinem Regierungsprogramm gehört die Achtung der Menschenrechte durch alle staatlichen ­Institutionen. Um das zu erreichen, muss auch die Polizei reformiert werden. Meine Berufung als neue Generalinspektorin der Zivilen Nationalpolizei (PNC) verstehe ich als klares Signal in diese Richtung: Die Menschenrechte sollen in Zukunft einen hohen Stellenwert haben.

Das Gespräch:

Was sind Ihre Aufgaben als Generalinspektorin?
Die Generalinspektion ist eine interne Kontrollinstanz der Polizei. Sie soll die Arbeit der PNC überwachen und sicherstellen, dass die Polizei ihre Arbeit erledigt, nämlich für die innere Sicherheit im Land zu sorgen. Außerdem soll die Generalinspektion dafür sorgen, dass das Dienstrecht eingehalten wird und die Polizei bei der Ausübung ihrer Arbeit die Menschenrechte respektiert.

Das hat in den vergangenen Jahren aber überhaupt nicht funktioniert.
Im Friedensabkommen von 1992, das den Bürgerkrieg beendete, wurde der Aufbau einer neuen Zivilen Nationalpolizei beschlossen. 1994 entstand die Generalinspektion der PNC. Sie war von den Strukturen der PNC unabhängig, bestand aus gut ausgebildetem Personal aus verschiedenen Bereichen und war direkt dem Minister für Öffentliche Sicherheit unterstellt. Dadurch konnte sie ihre Aufgabe als Kontrollinstanz auch wirklich wahrnehmen. 2001 beschloss die Regierung jedoch, die Generalinspektion in die Polizeistrukturen zu integrieren und dem Polizeidirektor zu unterstellen.

Welche Konsequenzen hatte das?
Mit der Unabhängigkeit war es vorbei. Die Generalinspektion konnte ihre Kontrollfunktion nicht mehr so ausüben wie vorher. Der Polizeidirektor konnte anordnen, was sie untersuchen sollte, und vor allem, was nicht. Viele Mitarbeiter versuchten zwar weiterhin ihre Aufgabe so gut wie möglich zu erledigen, aber vor allem den rund 80 Prozent Polizisten unter dem Personal waren die Hände gebunden, ihre Abhängigkeit vom Polizeidirektor war sehr groß.

Was hat die Generalinspektion dann überhaupt noch gemacht?
Sie hat auch weiterhin Verstöße gegen die interne Disziplin untersucht und Ermittlungen gegen einzelne Polizisten eingeleitet. Aber nur gegen die niedrigen und einige mittlere Dienst­ränge, nicht gegen die höheren.

Und heute? Was hat sich unter der neuen Regierung geändert?
Die Position der Regierung und auch die des neuen Polizeichefs ist eindeutig: Um ihre Kontrollfunktion wahrnehmen zu können, soll die Generalinspektion wieder unabhängig von den ­Polizeistrukturen sein und dem Justizminister unterstehen. Außerdem, auch das ist sehr wichtig, soll sie mehr Personal erhalten. Im Parlament wird derzeit ein Gesetz verhandelt, das die Generalinspektion aus der Polizei herauslösen soll. Ich denke, dass es bis Ende 2010 so weit sein sollte.

Eine unabhängige Generalinspektion bedeutet aber noch keine Polizei, die die Menschenrechte respektiert.
Ja, und man darf auch keine zu schnellen Ergebnisse erwarten. Der Polizei werden Folter, Mord, Entführungen und Beteiligung am Drogenhandel vorgeworfen, außerdem sollen Polizisten in die Strukturen der organisierten Kriminalität verwickelt sein. Die neue Regierung konnte 2009 einen neuen Polizeidirektor, sechs Vizedirektoren sowie eine neue Generalinspekteurin ernennen. Die Polizei hat aber rund 21.000 Mitarbeiter, die sind fast alle schon lange auf ihren Posten, einschließlich der Chefs der verschiedenen Polizeieinheiten. Viele Polizisten sind von ­Beginn an dabei und wurden vor 17 Jahren aus den alten Polizeieinheiten übernommen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen berüchtigt waren. Repression, also die Anwendung unangemessener Gewalt, ist für sie etwas ganz Normales. Das Verhalten dieser Leute kann man nicht einfach durch eine Dienst­anweisung von oben verändern.

Was machen Sie denn, wenn Sie aufdecken, dass ein Polizist ein Delikt begeht?
Wir untersuchen, ob er dabei gegen das interne Reglement der Polizei verstoßen hat. Falls ja, werden disziplinarische Maßnahmen eingeleitet. In schweren Fällen wird der Polizist vom Dienst suspendiert. Für die strafrechtliche Untersuchung ist jedoch die Staatsanwaltschaft zuständig, die von uns informiert wird.

Die hat aber einen mindestens ebenso schlechten Ruf wie die Polizei. Wie läuft denn die Zusammenarbeit?
Bisher ist unsere Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft gut. Allerdings wird sich erst in Zukunft zeigen, ob sie auch dazu bereit ist, Verfahren gegen Offiziere einzuleiten. Gegen einige hochrangige Polizisten ermittelte die Staatsanwaltschaft bereits unter der früheren Regierung, bis heute ist aber in keinem dieser Fälle ein Verfahren eröffnet worden.

Die Gewalt hat unter der neuen Regierung neue Rekorde erreicht. Es sterben so viele Menschen eines gewaltsamen Todes wie seit Jahren nicht mehr. In keinem Land Lateinamerikas gibt es pro Kopf mehr Gewaltverbrechen als in El Salvador. Zur Bekämpfung der Kriminalität hat der Präsident im vergangenen Herbst die Armee auf die Straße geschickt. Steht das denn im Einklang mit der Verfassung?
Durchaus. Solange die Armee die Polizei bei der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit nicht ersetzt, darf diese zumindest vorübergehend – sechs Monate mit der Möglichkeit einer Verlängerung – auch im Inland aktiv werden. Die Regierung wollte ein Zeichen setzen, um der Bevölkerung das Gefühl zu geben, hier wird gegen die Kriminalität vorgegangen. Es ging um Abschreckung.

Es gibt aber bereits zahlreiche Klagen wegen zahlreicher Übergriffe durch Soldaten.
Ja, es geht zum Teil um schwere Menschenrechtsverletzungen. Es wäre sicherlich besser, die Polizei noch weiter zu stärken. Das geht aber leider nicht von heute auf morgen. Seit Sommer 2009 haben bereits mehr als 1.000 neue Polizisten die Polizeiakademie verlassen, aber das reicht noch lange nicht. Die Polizei muss nach und nach auch das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.

Fragen: Michael Krämer

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