Amnesty International bedauert die geplante Abschaffung der Kennzeichnungspflicht in NRW, durch das gestern im Regierungskabinett beschlossene Gesetz.
Insbesondere entbehren die Ausführungen, wonach eine Kennzeichnungspflicht „sachlich nicht vernünftig zu begründen“ sei, und die Polizei „unter Generalverdacht“ stellen würde, jeder Grundlage.
Immer wieder geraten Polizeibeamt*Innen unter den Verdacht, bei Ausübung ihres Dienstes übermäßige, unrechtmäßige Gewalt anzuwenden. Dies gilt gerade im Zusammenhang mit dem Einsatz von geschlossenen Einheiten, z. B. im Rahmen von Einsätzen bei Fußball-Spielen oder Demonstrationen, wo das Geschehen häufig unübersichtlich ist, und es zu Gewalttätigkeiten kommt. Häufig sind in solchen Situationen aber die Taten nicht einzelnen Polizeibeamt*Innen zuzuordnen, da sie nicht individuell gekennzeichnet sind.
Dies hat immer wieder dazu geführt, dass Strafverfahren gegen Polizeibeamt*Innen eingestellt werden mussten, da ein möglicher Täter nicht ermittelt werden konnte. Auch Amnesty International hat in seinem Bericht von 2010 zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen eine gebotene Strafverfolgung daran gescheitert ist, dass eine individuelle Kennzeichnung fehlte. Gerade vor diesem Hintergrund ist die Kritik von Innenminister Reul, dass die Befürworter einer Kennzeichnungspflicht bis jetzt „jeden Nachweis“ für das Erfordernis einer Kennzeichnungspflicht schuldig geblieben seien, nicht nachvollziehbar.
Soweit der Innenminister darauf verweist, dass eine Kennzeichnungspflicht die Polizei unter einen Generalverdacht stellen würde, muss auch an dieser Stelle wieder darauf hingewiesen werden: Wer sich vom Staat oder einem Staatsvertreter falsch behandelt fühlt, hat das Recht, sich gegen dieses Handeln gerichtlich zu wehren. Von dieser in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsweggarantie muss jeder Mensch auch dann Gebrauch machen können, wenn es um polizeiliches Fehlverhalten geht.
Wer die Ermöglichung einer solchen notwendigen, rechtsstaatlichen Kontrolle durch die Kennzeichnungspflicht als „Generalverdacht“ diffamiert, offenbart damit ein unzulängliches Verständnis unserers rechtsstaatlich-demokratischen Staatswesens, welches allen Bürger*Innen das selbstverständliche Recht einräumt, mit einer polizeilichen Maßnahme nicht einverstanden zu sein, und sie auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.
Wir hoffen daher inständig, dass die Landesregierung ihre Position überdenkt, und den beschlossenen Entwurf wieder zurücknimmt.
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