Die Themenkoordinationsgruppe Polizei und Menschenrechte wendet sich entschieden gegen die geplante Abschaffung der Kennzeichnungspflicht in Nordrhein-Westfalen.
Die individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamten wurde erst kürzlich in NRW eingeführt. Damit folgte das Land dem bundesweiten Trend, nach dem immer mehr Bundesländer ihre Polizeibeamten individuell kennzeichnen, um bei möglichen Vorwürfen einen verantwortlichen Beamten identifizieren zu können. Dies ist auch und gerade beim Einsatz von geschlossenen Einheiten bei Großeinsätzen, mit häufig unübersichtlichem Geschehen, von Bedeutung.
Wenn von verschiedenen Seiten erhoben wird, es handele sich bei der Kennezeichnung von Polizeibeamten um einen „Generalverdacht“, so muss dem entgegengehalten werden, dass es in einem demokratischen Rechtsstaat jedem Menschen frei steht, mit einer staatlichen Maßnahme nicht einverstanden zu sein, und gegen diese gegebenenfalls gerichtlich vorzugehen.
Auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewährt in Art. 19 Abs. 4 GG eine Rechtsweggarantie, die es jeder Bürgerin und jedem Bürger ermöglichen soll, staatliches Handeln ihm gegenüber uneingeschränkt gerichtlich überprüfen zu können. Diese Rechtsweggarantie, welche auch menschenrechtlich verbürgt ist (Art. 6 EMRK), muss jedoch nicht nur theoretisch gegeben sein, sondern auch rechtstatsächlich zur Verfügung stehen, da sie ansonsten leer laufen würde. In diesem Zusammenhang ist die Kennzeichnungspflicht von entscheidender Bedeutung. Erst sie ermöglicht es der Bürgerin oder dem Bürger, das Verwaltungshandeln einer Polizeibeamtin oder eines Beamten individuell zuzuordnen, und es somit gerichtlich überprüfen zu lassen.
Was für das Handeln von anderen Trägern der öffentlichen Gewalt gilt, welche in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern eingreifen, wie zum Beispiel das Finanzamt oder das Bauamt, muss für die Polizei umso mehr gelten, angesichts der Tatsache, dass die Polizei regelmäßig die intensivsten Grundrechtseingriffe vornimmt, beispielsweise in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, das Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG oder das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG.
Auch zeigen die Erfahrungen aus Berlin und Brandenburg, wo die individuelle Kennzeichnungspflicht nun seit einigen Jahren gilt, dass die von Polizeigewerkschaften und einigen Politikerinnen und Politikern befürchteten Verfolgungen ins Privatleben oder eine Flut von unbegründeten Anzeigen gegen Polizistinnen und Polizisten ausgeblieben sind. Bisher sind aus keinem Bundesland negative Erfahrungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnungspflicht bekannt geworden. Aus diesem Grund fordern wir die CDU und FDP in NRW dazu auf, die individuelle Kennzeichnungspflicht beizubehalten, und würden uns wünschen, dass als nächster Schritt über die Einführung einer unabhängigen Beschwerdestelle für die Polizei nachgedacht wird.
Pingback: LabourNet Germany Kennzeichnungspflicht für Polizisten: Nullnummern » LabourNet Germany