Am 27. April verabschiedete der Deutsche Bundestag den von Heiko Maas vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften (Widerstands-Paragraf). Im Vorfeld der Abstimmung zur Einführung wurde der Entwurf von zahlreichen Berufsverbänden, Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen kritisiert. Unter ihnen sind unter anderem Amnesty International, der Deutschen Richterbund, die Neue Richtervereinigung, der Deutsche Anwaltsverein sowie eine gemeinsamen Erklärung vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein, der Internationalen Liga für Menschenrechte, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie und der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen.
Trotz dieses vehementen Widerspruchs verabschiedete die Regierungskoalition gegen die Stimmen der Oppositionsparteien die Einführung der Neuregelung, wonach die Mindeststrafe bei tätlichen Angriffen gegen Vollstreckungsbeamtinnen und Beamte auf mindestens drei Monate (bis zu maximal fünf Jahren) erhöht wird. Neu ist auch, dass es dabei nicht mehr auf den Bezug zu einer Vollstreckungshandlung ankommen soll und dass bereits das Mitführen eines Messers ohne Verwendungsabsicht einen besonders schweren Fall begründet, und eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten vorsieht.
Anstatt mit einer reinen Symbolpolitik auf die Forderungen der Polizeigewerkschaften einzugehen, sollte die Regierung sich auf den menschenrechtlichen Schutz von Opfern von Polizeigewalt konzentrieren.
Begründet wird die Verabschiedung des neuen Gesetzes mit einer angeblich gestiegenen Zahl von tätlichen Angriffen auf Polizistinnen und Polizisten sowie auf Rettungskräfte. Wie Prof. Dr. Müller und Prof. Singelnstein und Dr. Puschke in der Neuen Juristischen Wochenschrift darlegen, sind erhebliche Zweifel an der Behauptung angebracht, dass die Polizei mit zunehmenden körperlichen Angriffen konfrontiert ist. Darüber hinaus ist die Polizeiliche Kriminalstatistik zur Bewertung ungeeignet, ob und in welchem Maße Straftaten tatsächlich zu- oder abnehmen (vgl. das Statement Amnesty Internationals zur Polizeilichen Kriminalstatistik).
Die Neuregelung führt letztlich zu einem Sonderstrafrecht für Polizeibeamtinnen und Beamte, wonach bei Angriffen danach unterschieden wird, welcher Berufsgruppe die Person angehört (vgl. ausführlich hier). Polizeigewerkschaften forderten schon lange die nun umgesetzte Neuregelung und dramatisierten mit empirisch kaum haltbaren Beschreibungen die Lage der deutschen Polizei.
Anstatt mit einer reinen Symbolpolitik auf die Forderungen der Polizeigewerkschaften einzugehen, sollte die Regierung sich auf den menschenrechtlichen Schutz von Opfern von Polizeigewalt konzentrieren. Viele Menschen sehen nach einem polizeilichen Übergriff aufgrund der regelmäßig erfolgenden Gegenanzeige wegen Widerstands von einer Anzeige ab. Auch Amnesty International rät daher Betroffenen von Polizeigewalt nicht grundsätzlich zu einer Anzeige gegen die Polizei. Vor allem ethnische Minderheiten, von rassistischer Gewalt Betroffene und sozial schwach gestellte Personen schrecken zusätzlich vor einer Anzeige zurück.
Durch die nun erfolgte Verschärfung des Widerstandsparagrafen steht zu befürchten, dass sich die Situation für Opfer von unrechtmäßiger Polizeigewalt deutlich verschlechtert.
Durch die nun erfolgte Verschärfung des Widerstandsparagrafen steht zu befürchten, dass sich die Situation für Opfer von unrechtmäßiger Polizeigewalt deutlich verschlechtert. Bei leichten Übergriffen, Übergriffen ohne (nachweisbare) Folgen oder Zeugen/Videoaufnahmen sowie in Gewahrsamseinrichtungen ist die Gefahr groß, dass Menschen von einer Anzeige wegen der zu befürchteten Gegenanzeige wegen Widerstands absehen. Anderenfalls hätten die Opfer polizeilicher Übergriffe im weiteren Verfahren selbst mit einer Haftstrafe zu rechnen. Aus menschenrechtlicher Sicht ist diese Entwicklung höchst besorgniserregend.
Auch internationale Menschenrechtsgremien – wie der UN-Ausschuss zur Beseitigung von Folter und der Menschenrechtskommissar des Europarats – sind sich einig, dass die individuelle Kennzeichnungspflicht, sowie die Einrichtung eines unabhängigen Untersuchungsmechanismus zur Aufklärung mutmaßlicher Polizeiübergriffe, längst überfällig sind. Im Gegensatz zur Frage, ob die Polizei besser zu schützen sei, ist die Einrichtung von unabhängigen Beschwerdestellen also längst überfällig.