Hannover: Offenbar schwere Mängel auf Wache der Bundespolizei

„Die Vorfälle hatten vor einem Jahr bundesweit Schlagzeilen gemacht: Sind in Gewahrsamszellen der Bundespolizeiwache am Hauptbahnhof Hannover Geflüchtete misshandelt worden? Sicher ist: Ein Polizist verschickte damals Handy-Fotos eines Flüchtlings in einer Zelle, versehen mit menschenverachtenden Sprüchen. Er steht im Juli wegen verschiedener Delikte vor Gericht. Körperverletzungsdelikte im Amt hätten allerdings nicht mit hinreichender Gewissheit nachgewiesen werden können, sagt die Staatsanwaltschaft.

Kritik an nicht tolerablen Ausschweifungen

Doch damit ist die Aufarbeitung um die Verhältnisse in dieser Wache offenbar noch längst nicht zu Ende: Nach gemeinsamen Recherchen des NDR Regionalmagazins „Hallo Niedersachsen“ und NDR Info spricht ein internes Gutachten der Bundespolizei von erheblichen Mängeln in der Bundespolizeiinspektion Hannover. Wie der NDR aus Polizeikreisen erfuhr, geht es um Kommunikation, Controlling bis hin zu nicht tolerablen Ausschweifungen.

 

Bundespolizeipräsident ordnete Aufklärung an

Der Auftrag zu dieser Untersuchung kam von höchster Stelle, von Bundespolizeipräsident Dieter Romann. Er hatte gleich nach dem Bekanntwerden der Vorfälle in der Bundespolizeiwache am Hauptbahnhof gründliche Aufklärung angekündigt:

Sollten sich die zum Teil erheblichen Vorwürfe bestätigen, wird die Bundespolizei mit aller Konsequenz gegen den oder die Beamten vorgehen.

Zwischenzeitlich waren bis zu sieben Beamte ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Auch wenn viele Vorwürfe offenbar nicht mit letzter Sicherheit gerichtsfest zu beweisen sein mögen – das Gutachten der Untersuchungskommission dürfte nicht ohne Folgen bleiben.

 

 

Dienstgruppe 3 wollte nicht mit dem Gremium sprechen

Seit September vergangenen Jahres hatte ein drei Mitglieder zählendes Gremium, darunter eine hochrangige Spezialistin aus Potsdam sowie zwei Beamte aus Lüneburg und Walsrode, die Abläufe und Strukturen in der Bundespolizeiinspektion Hannover auf Herz und Nieren geprüft. Es gab umfassende Akteneinsicht und Gespräche. Auffallend: Die Mitarbeiter der im vergangenen Jahr in die Kritik geratenen Dienstgruppe 3 am Hauptbahnhof hatten offenbar kein Interesse daran, sich mit dem Gremium auszutauschen.

Sexuelle Handlungen in der Dienststelle

Die Untersuchungskommission moniert nach NDR Recherchen nicht nur strukturelle Mängel, sie wird zum Teil auch ganz konkret. So habe es zum Beispiel im dritten Stock des Dienstgebäudes am Ernst-August-Platz in Hannover einen Raum gegeben, in dem es immer wieder zu sexuellen Begegnungen zwischen einzelnen Beamten und Frauen gekommen sein soll, auch in den Gewahrsamszellen.

Waffe am Kopf eines Polizeischülers: „Scherz“

Und nicht nur das. Auch dieser Fall spielt eine Rolle: In einem Pausenraum der Wache am Hauptbahnhof soll ein Polizeischüler von einem Beamten der Bahnhofswache sexuell drangsaliert worden sein. Dabei sei ihm eine geladene Dienstwaffe an die Schläfe gehalten worden. Der Polizeischüler verzichtete später auf eine Strafanzeige und gab an, das Ganze für einen Scherz gehalten zu haben.

Doch das, so Rafael Behr, muss in solchen Konfliktlagen nicht das wirkliche Motiv gewesen sein: Natürlich haben die Opfer auch etwas zu verlieren, nämlich den Stand in der Gruppe. Deshalb zögert man, sich als Opfer darzustellen, was den Tätern wieder Vorschub leistet und ihnen die Sicherheit gibt, so weitermachen zu können wie bisher.“

 

Quelle: NDR.