Heute veröffentlichen wir auf unsere Homepage einen Artikel der Fanszene der Spielvereinigung Fürth in welchem sie über ihren Einsatz für die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte und die Zusammenarbeit mit Amnesty International berichten. Dieser Bericht steht exemplarisch für die Zusammenarbeit von Amnesty International mit zahlreichen Fanszene aus dem gesamten Bundesgebiet und zum Teil auch aus dem Ausland im Rahmen der Kampagne „Mehr Verantwortung bei der Polizei“. Wir möchten uns an dieser Stelle sehr sehr herzlich bei allen Fanszenen und Fans für ihre Unterstützung der Kampagne und den Einsatz für eine individuelle Kennzeichnungspflicht bedanken!
Etwas mehr als zwei Jahren sind nun seit dem DFB- Pokalspiel der Spielvereinigung Fürth bei Bayern München vergangen und die Thematik rund um die Kennzeichnungspflicht für Polizisten ist präsenter denn je. Bei dem Spiel im Februar 2010, welches wohl bundesweit in die Schlagzeilen geriet, kam es zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Kleeblattfans und der örtlichen Polizei (maßgeblich mit dem bayrischen Unterstützungskommando USK), als die örtlichen Beamten rabiat und vollkommen unverhältnismäßig auf die angereisten Fans einprügelten. Die Quintessenz bestand darin, dass es auf Fanseite zu zahlreichen Verletzten und Verhaftungen mit anschließenden Anzeigen kam. Auf Polizeiseite wurde in den darauffolgenden Monaten in den eigenen Reihen „ermittelt“, jedoch war dabei eine Versetzung von lediglich vier Beamten und keinerlei juristische Klärung des Vorfalls die Folge, welche es in einem selbst ernannten Rechtsstaat bedurft hätte. Stattdessen wurde gegen zahlreiche Fans aufgrund meist haltloser Anschuldigen von Polizisten diverse Verfahren eingeleitet, welchen jedoch glücklicherweise zum Großteil ein Freispruch bzw. eine Einstellung des Verfahrens folgten.
Dieser Abend und die daraus resultierenden Wochen und Monate in denen sämtliche Printmedien der Auffassung waren auf ein in Fürth vermeintliches Gewalt- und Hooliganproblem aufmerksam machen zu müssen, indem lediglich diverse Polizeiberichte – teils gar nicht recherchiert – den Weg in diese Boulevardblätter fanden, war Grund genug diese Hetzkampagnen nicht weiter auf uns sitzen zu lassen. Daher wurde zunächst seitens der aktiven Fanszene der SpVgg Fürth eine Stellungnahme verfasst, die eine Gegendarstellung dieses Abends beinhaltete und alsbald auch veröffentlicht wurde. Glücklicherweise stellte sich der Verein ebenfalls hinter die Fans und kritisierte das massive und unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei auf schärfste. Aufgrund dessen revidierten sogar eine wenige Medien ihre zunächst abgedruckte Fassung von den Vorfällen rund um das Spiel. Doch selbstverständlich bleibt ein fader Beigeschmack bestehen, wenn hilflos mit angesehen werden muss, wenn Lügen in Presse, Funk und Fernsehen verbreitet werden, um den Sensationsjournalismus weiterhin genug Nahrung liefern zu können.
Dementsprechend versuchte die Fürther Fanszene natürlich dahingehend Arbeit zu leisten die wahren Geschehnisse rund um diesen Abend aufzudecken, jedoch gleichzeitig auch Lösungsansätze zu finden, um die ansteigende Gewalt und Aggressivität von Polizeibeamten im Vorfeld verhindern zu können. So entschlossen wir uns der zu diesem Zeitpunkt schon einige Monate angelaufenen Kampagne „Mehr Verantwortung bei der Polizei“ anzunehmen und uns mit diesem Thema verstärkt auseinanderzusetzen. Eine Kennzeichnungspflicht von Polizisten, welche als hauptsächlicher Bestandteil dieser Kampagne obliegt, scheint uns demnach als Grundvoraussetzung, um grundloser Polizeigewalt präventiv entgegenzutreten.
Unsere Arbeit dahingehend beschränkte sich zunächst ganz banal auf das Erstellen von Spruchbändern und kleineren Choreographien bezüglich dieses Themas, sowie das Verteilen von kleineren und größeren Handflyern bzw. verschiedenem AI-Infomaterial im Stadion. Des Weiteren wurde bereits in der vergangenen Saison ein Aktionsspieltag ausgerufen bei dem diverse Infostände im und außerhalb des Stadions aufgebaut wurden, um zunächst einmal unser Stadionpublikum für dieses Thema sensibilisieren zu können. Der Zuspruch schien unerwartet hoch und so stießen wir mit unserem Anliegen erfreulicherweise auf viel Zuspruch.
Auf der bundesweiten Fandemo in Berlin unterstützten wir erstmalig im größeren Maße die Forderungen der Amnesty Kampagne in der breiten Öffentlichkeit. Dies war zu diesem Zeitpunkt auch bitter nötig gewesen, nachdem wir in München erfahren hatten, wie schwer es sein kann Polizeibeamte aufgrund von Straftaten identifizieren zu können.
Somit konnte eine Basis geschaffen werden, um die Arbeit rund um dieses Thema erweitern und vertiefen zu können. Da wir nach den Vorfällen im Februar 2010 beschlossen hatten als aktive Fanszene der SpVgg Fürth die Allianz- Arena in München nicht mehr zu besuchen wurde einen Tag vor dem ersten Auswärtsspiel in München nach den Vorfällen beim Pokalspiel ein Infoabend veranstaltet an dem ein aktives Mitglied der Ultragruppe Horidos 1000 über die Amnesty- Kampagne referierte und weitere Inhalte dieser genauer beleuchtete. Das Auswärtsspiel der Spielvereinigung bei 1860 München wurde einen Tag später im Vereinsheim des Fanclubs Sportfreunde Ronhof e.V. gemeinsam vor dem Fernseher verfolgt.
Einige Wochen später kam die Idee auf intensiver und verstärkter die Öffentlichkeit zu suchen und demnach auch die Politik mit diesem Thema zu konfrontieren. Dazu wurde am 13.5.2011 ein eigens organisierter Infoabend mit anschließender Podiumsdiskussion zum Thema Kennzeichnungspflicht für Polizisten organisiert zu dem lokale Politiker(SPD, Die Grünen, Die Linke) sowie Pressevertreter, Fan- und Vereinsvertreter, der Münchner Anwalt Marco Noli(Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte) und ein Vertreter von Amnesty International eingeladen wurden. Die Besucherzahl von 120 Personen übertrafen dabei bei weitem unsere Erwartungen und somit stand einem informationsreichen Abend nichts mehr im Wege.
Alexander Bosch beleuchtete zunächst einmal die aktuelle Kampagne „ Mehr Transparenz bei der Polizei“ ehe Marco Noli am Beispiel des Münchner Amateurderbys im Jahre 2007 verdeutlichte, inwieweit staatliche Organe sukzessive versuchen Straftaten von Polizisten unter Verschluss zu halten und die Aufklärung dieser Vorfälle zu erschweren.
Im Anschluss daran startete die durchaus interessante Diskussionsrunde der verschiedenen Vertreter der Parteien , sowie Herrn Bosch, Herrn Noli und einem Vertreter der Horidos 1000 über die verschiedenen Möglichkeiten einer Kennzeichnungspflicht. Bedauerlicherweise ähnelten sich meist die Aussagen der Politiker und verweisen meist auf die Machtlosigkeit derer aufgrund des CSU- geführten Bayerns. Die CSU musste leider kurzfristig, nach vorheriger Zusage, die Veranstaltung absagen, wenngleich es doch sehr interessant gewesen wäre auch eine Gegenposition an diesem Abend vor Ort zu haben. Nichtsdestotrotz konnte der Abend als Erfolg gewertet werden, womit wir wiederum ein Stück Aufklärungsarbeit nicht nur in Fussballkreisen leisten konnten.
Demonstration: Kennzeichnungspflicht für Polizisten, sofort!
Der bisherige Höhepunkt unserer Arbeit zu diesem Thema stellte die am 16.3.2012 eigenständig organisierte Demonstration in Fürth dar. Unter dem Motto „Kennzeichnungspflicht für Polizisten, sofort!“ wollten wir einen Schritt weitergehen und nicht nur im Stadion, sondern verstärkt in unserer Stadt auf dieses Thema aufmerksam machen. Insgesamt knapp 300 Personen folgten dem Aufruf am frühen Freitagabend und zogen lautstark mit Pappschildern und Transparenten sowie mehreren Handflyern durch die Fürther Innenstadt, um unter anderem auf die fehlende Transparenz, die natürlich mit einer nicht vorhandenen bundesweiten Kennzeichnungspflicht einher geht, innerhalb der Polizei aufmerksam zu machen.
Die Demonstration gliederte sich in drei Kundgebungen bei denen jeweils unterschiedliche Redebeiträge vorgetragen wurden.
Die Auftaktkundgebung wurde durch ein Mitglied der Horidos 1000 abgehalten, indem nochmals auf die Vorfälle in München samt der juristischen Folgen eingegangen und unsere Forderungen bezüglich einer Kennzeichnungspflicht Nachdruck verliehen wurden. Des Weiteren wurde anhand des Beispiels Berlins, wo vor kurzer Zeit eine Kennzeichnungspflicht gesetzlich durchgesetzt wurde, demonstriert, inwieweit eine derartige Maßnahme Früchte tragen kann. So konnte hier in den letzten Wochen und Monaten vermehrt ein zurückhaltendes Verhalten der Polizei insbesondere auf Demonstrationen und Fussballspielen festgestellt werden. Entgegen den Befürchtungen der Polizeigewerkschaft sind bislang keine Fälle bekannt in denen Polizisten privat aufgrund der Kennzeichnungspflicht bedroht oder terrorisiert wurden.
Auf der Zwischenkundgebung stellte ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte, welche mittlerweile im kompletten Bundesgebiete aktiv ist, die zentralen Forderungen im Zusammenhang mit einer Kennzeichnungspflicht dar. Dabei ist ein wesentlicher Bestandteil die Abschaffung der Datei „Gewalttäter Sport“, die in den Augen der AG Fananwälte verfassungswidrig erscheint. Diese Datei beinhaltet private Daten von Fans rund um größere Sportveranstaltungen, die teilweise lediglich des Verdachts bezichtigt werden in absehbarer Zeit Straftaten im Zusammenhang mit Fussballspielen bzw. Sportveranstaltungen begehen zu können. Somit kann eine gewöhnliche Personenkontrolle durch die Polizei bereits ausschlaggebend dafür sein in diese Datei mit aufgenommen zu werden. Dabei muss zusätzlich erwähnt werden, dass durch einen Eintrag in diese Datei Ausreiseverbote, Stadtverbote und ähnliches auf einen Fan zukommen könnten.
Auf Höhe der Polizeidirektion Fürth wurde durch einen Vertreter von Amnesty International in Person von Alexander Bosch nochmals offengelegt welche Gründe ausschlaggebend dafür waren eine Kampagne dieser Art ins Leben zu rufen; des Weiteren führte er seinen Redebeitrag dahingehend aus inwiefern Transparenz nicht nur durch eine Kennzeichnungspflicht gewährleistet werden kann.
Rückblickend kann der Verlauf der Demonstration als äußert positiv angesehen werden, wodurch ein weiterer Akzent in puncto Aufklärungsarbeit geleistet werden konnte. Wenngleich die Anzahl an Pressevertretern trotz vorheriger Einladung durch die Organisatoren etwas gering ausfiel.
Ausblick in die Zukunft
Noch vor ein paar Wochen erreichte uns überraschenderweise ein Mail der regionalen Abgeordneten Petra Guttenberger (CSU), die uns zunächst für die erfolgreiche Demonstration beglückwünschte und gleichzeitig ihre Abwesenheit bei dieser Veranstaltung aufgrund verschiedener Termine in Berlin bedauerte. Ziemlich irritierend wurde demnach ihre Einladung an uns den bayrischen Landtag besuchen zu dürfen, um dort in eigener Sache vor der zuständigen Arbeitsgruppe vorzusprechen und unser Anliegen dieser näher zu bringen, aufgefasst. Und dies obwohl ihre Partei sich doch seit geraumer Zeit immer wieder vehement gegen eine Kennzeichnungspflicht ausspricht. Nichtsdestotrotz birgt dies natürlich eine ungeahnte Chance für uns unsere Standpunkte dort vortragen zu können, wo die politischen Entscheidungen letztlich getroffen werden. Somit werden wir selbstverständlich dieses Angebot wahrnehmen und versuchen unsere Interessen bestmöglich zu vertreten. Inwiefern ein Umdenken in der bayrischen Politik hierdurch stattfinden kann bleibt zweifelhaft, jedoch ist es in der momentanen Lage wohl die einzige Möglichkeit eine Verbesserung der Umstände herbeiführen zu können.
Wir hoffen dementsprechend ebenfalls, dass wir diese Kampagne mit Amnesty International weiter bekannt machen und gemeinsam für unsere Ziele arbeiten können. Aufgrund dessen möchten wir uns für die bisherige Unterstützung vor allem bei Alexander Bosch bedanken, der uns nicht nur mit reichlich Infomaterial zur Seite stand, sondern auch immer mal wieder bei uns in Fürth präsent war, wo er uns beratend zur Seite stand.
Wir hoffen auch in Zukunft auf eine gute Zusammenarbeit und wünschen Amnesty International viel Kraft für die bevorstehenden Aufgaben.
Horidos 1000 im Mai 2012