Einleitung: Polizeigewalt in Deutschland
Anfang des Jahres 2004 veröffentlichte Amnesty International den Bericht „Erneut im Fokus – Vorwürfe über polizeiliche Mißhandlungen und den Einsatz unverhältnismäßiger Gewalt in Deutschland“ (Deutschlandbericht 2004, PDF, 94 Seiten, 470 kb). In diesem Bericht dokumentiert ai 20 Fälle anhand derer sie exemplarisch die Missstände im Zusammenhang mit übermäßigem Einsatz von Polizeigewalt in Deutschland aufzeigt. Bereits 1995 und 1997 hatte ai Berichte zu diesem Thema veröffentlicht und Empfehlungen geäußert. Der Bericht 2004 kommt zu dem Schluß: Exzessive Polizeigewalt und deren unzulängliche Ahndung sind leider immer noch ein Thema in Deutschland.
Der Befund des AI-Berichts von 2004
Hier finden Sie den Deutschlandbericht 2004 zum Herunterladen (PDF).
Misshandlungen und exzessive Gewaltanwendung durch Polizeibeamte ereignen sich laut dem Bericht zumeist bei Festnahmen oder in Polizeihaft. Einen signifikanten Anteil entsprechender Vorwürfe erheben dabei Ausländer oder deutsche Staatsbürger ausländischer Herkunft. Auch bei Abschiebungen ausländischer Staatsbürger aus Deutschland kommt es immer wieder zu Mißhandlungen durch Beamte des Bundesgrenzschutzes.
Wie schon 1995 und 1997 dokumentiert ai auch in dem aktuellen Bericht, daß Polizei und Staatsanwaltschaften Ermittlungsverfahren zu Vorwürfen über exzessiven Einsatz von Gewalt durch Polizeibeamte häufig nur mangelhaft durchführen.
Diese Verfahren gehen im Vergleich zu anderen in der Regel nur sehr schleppend vonstatten und ziehen sich oft über Monate oder gar Jahre hin. Polizeibeamte reagieren auf entsprechende Vorwürfe häufig mit Gegenanzeigen wegen „Widerstandes gegen die Staatsgewalt“ oder „Beleidigung“.
Die Staatsanwaltschaften erheben zudem zu selten Anklage gegen beschuldigte Polizeibeamte. Vielmehr legen sie das Merkmal des „hinreichenden Tatverdachts“ in vielen Fällen zu eng aus und stellen Verfahren selbst dann ein, wenn schwerwiegende Hinweise auf Misshandlungen vorliegen.
AI hat zahlreiche eingestellte Verfahren untersucht und zum Teil gravierende Mängel festgestellt:
Ermittlungen sind demnach verschleppt, Sondergutachten nicht eingeholt und medizinisches Beweismaterial außer Acht gelassen worden.
Auch scheinen die Staatsanwaltschaften häufig geneigt, der Darstellung der involvierten Polizeibeamten eher Glauben zu schenken: So werden die meisten Verfahren mit der Begründung eingestellt, daß die Angaben der beschuldigten Beamten den Aussagen des mutmaßlichen Opfers widersprächen.
Die Aussagen von Zeugen, die die Darstellung des Opfers unterstützen, werden aber häufig als „widersprüchlich“ oder „voreingenommen“ zurückgewiesen. Auffällig ist zudem, daß in Verfahren, in denen Anklagen erhoben wurden und Verurteilungen erfolgten, das Strafmaß häufig nicht der Schwere der Tat entsprach, sondern im Verhältnis zu den Folgen der Tat für die Opfer vergleichsweise eher milde ausfiel.
ai befürchtet, daß die genannten Defizite bei der Ahndung von übermäßigem Einsatz von Polizeigewalt dazu führen, daß Polizeibeamte, die Mißbrauch begangen haben, nicht ausreichend zur Verantwortung gezogen werden. Dies aber ist ein völlig falsches Signal. Exzessiver Polizeigewalt muß vielmehr entschieden begegnet und es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um dieser entgegenzuwirken.